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Wippe-lig! – Martin Schlegel über sein neues altes Spiel

Wippe-lig (ehem. Cugoglo) | Foto: Gerhards Spiel & Design

Der zweite Frühling für eine Spielidee

2005 hat Martin Schlegel beim Verlag Holzinsel sein Spiel Cugolo herausgebracht. Das Spiel für 2-5 Spieler hat ihm über die Jahre keine Ruhe gelassen, weil es noch Potenzial berherbergte, das es noch herauszukitzeln galt. Auf der SPIEL ’24 erscheint es in überarbeiteter Fassung und mit neuem Namen: Wippe-lig! Wir sprachen mit ihm über das, was das Spiel jetzt anders und besser macht.blank

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Wie kamt ihr auf den Namen Wippe-lig!?

„Es war naheliegend, Begriffe wie ‚wippen‘ oder ‚kippen‘ zu verwenden. Denn ein wesentliches Element ist ja, das Spielbrett zu wippen und die Scheiben in die andere Richtung laufen zu lassen. Aber es durfte keine Nähe zu anderen Gerhards-Spielen auftauchen. Aus dem Verlag kam der Name Wippe-lig!. Passend, denn das Holzbrett wird mehrfach gewippt und manch ein Tester wurde in einer Partie wibbelig oder hibbelig.“

Der Verlag wollte die entscheidende Änderung

Warum wolltest du Cugolo noch einmal veröffentlicht sehen?

Cugolo aus dem Jahr 2005 (Holzinsel)
Cugolo aus dem Jahr 2005 (Holzinsel)

„Es gibt ein paar meiner mittlerweile 60 Spiele, die meiner Meinung nach eine zu kurze Lebenszeit hatten. Dazu gehören so unterschiedliche wie NUTS, Aqua Romana und Cugolo.

Als intensiver Tester bin ich natürlich regelmäßig bei den Test-Tagen in Langendreer (Bochum), die Karsten Höser und Thomas Weber organisieren. Dort traf ich Sascha Schauf, den Chef von Gerhards Spiel und Design und zeigte ihm Cugolo: Es gefiel ihm und er schlug zu, doch völlig anders als erwartet.

Er testete es und sagte mir beim nächsten Treffen: Ich mach´s, aber so nicht.

Bei Cugolo ist es ja so, dass man zuerst die 34 Scheiben nach genauer Vorlage in die vier Rillen einer Holzplatte bringt. Diese etwas mühsame, zeitraubende Vorarbeit sollte unterbleiben. Das Spiel sollte nicht etwa gemächlich beginnen, sondern von Anfang an sollte jeder Handgriff unter Spannung stehen, es sollte permanent knistern, Sieg oder Niederlage immer in greifbarer Nähe sein. Action pur. Für ihn war klar: Wir starten mit leerem Brett und sofort beginnt der Kampf.“

Hieß das für dich: Zurück auf Los?

„Eine Spieländerung beginnt nicht bei Null, sondern viele Pfeile stecken im Köcher. Ich habe wie beim Schach recht viele Züge im Kopf, von denen ich mich für einen entschieden habe.

Natürlich ging das Tester-Autor-Ping-Pong wieder los. Also mehrere Versuche wie auch Abzweigungen in Sackgassen. Hinzu kam, dass sich dieses Spiel schon aufgrund der einfachen Regel gut für Kinder eignet, sodass auch Grundschulkinder als Tester herangezogen wurden.“

Was kam im Endeffekt dabei raus?

„Vieles blieb erhalten, beispielsweise das Ziel: ‚Bring 3 deiner 5 Scheiben senkrecht oder waagerecht nebeneinander‘. Zwei Elemente wurden geändert: die Startsituation und das Wippen.

Cugolo hat ein Holzbrett, das eine schiefe Ebene darstellt. Eine Variante in der Cugolo-Fassung besteht darin, die schiefe Ebene zu wippen, also die Laufrichtung zu ändern. Nun wurde dieses Wippen in das Hauptspiel übernommen, denn die Aktion ist enorm reizvoll, wenn auch schwierig. Jetzt aber wird die Laufrichtung nur dann gewechselt, wenn man eine eigene Scheibe bewegt hat. Der aktive Spieler hat es also in der Hand, die Laufrichtung zu ändern oder nicht.

Dieses Wippen bewirkt manch eine Überraschung – manchmal allerdings zur Freude eines Mitspielers.

Selbst ausgefuchsten Spielern bringt es das Staunen ins Gesicht, was zu einem ‚Oh‘ oder ‚Ach so‘ führen kann. Diese Überraschungen liegen auch daran, dass die vier Rillen versetzt in das Spielbrett gefräst sind.“

Die Aktionen bei Wippe-lig!

Martin Schlegel - Foto Tobias Maifeld

Und die andere Änderung?

„Die war die neue Startsituation. Wir beginnen jetzt mit einem leeren Holzbrett. Man muss nicht erst das Brett mit den Scheiben bestücken; es geht gleich los. Jeder hat die Scheiben seiner Farbe sowie neutrale Scheiben vor sich liegen. Nun macht der aktive Spieler eine von drei möglichen Aktionen:

  • Aus seinem Vorrat nimmt er eine eigene und – falls vorhanden – eine neutrale Scheibe, die er in die gleiche Rille einsetzt. Er wippt das Brett, ändert also die Laufrichtung.
  • Er setzt eine eigene bereits auf dem Brett befindliche Scheibe um. Auch dann wippt er das Brett.
  • Er setzt eine fremde oder neutrale Scheibe um. Die Laufrichtung bleibt!

Die Scheibe, die der aktive Spieler bewegt, darf er nie zwischen andere Scheiben einfügen. Sie wird immer oben eingesetzt, rollt dann runter.

Diese Änderungen haben dem alten Cugolo gutgetan. Hier zeigt sich wieder einmal der Vorteil eines mitdenkenden Verlegers, der eine gute Vorlage nicht verwaltet, sondern gestaltet.“

Kribbelig und hibbelig bei Wippe-lig!

Was ist der besondere Reiz an Wippe-lig!?

„Jeder Zug kann kribbelig machen. Das Damoklesschwert hängt tief über dem Brett und jeder Zug ist mit Fragen verbunden: Habe ich mit der Aktion versehentlich einem Mitspieler eine Vorlage gegeben? Hätte ich nicht lieber eine eigene Scheibe bewegen sollen, um durch das Wippen des Bretts die Situation zu entschärfen? Soll ich eine Scheibe auf das Brett bringen, denn nur da können diese mich zum Sieg führen oder soll ich lieber die Drohung eines Mitspielers durch Umsetzen einer seiner Scheiben entkräften?

Und immer wieder natürlich die Unsicherheit, das Wippen des Bretts, die Änderung der Laufrichtung falsch zu berechnen.“

Spieleerfinder Martin Schlegel

Überraschend große Zielgruppe

Für welche Zielgruppe ist Wippe-lig! gedacht?

„Wenn ich an die Tester denke, die grübelnd am Tisch sitzen, überlegen, diese oder jene Scheibe zu nehmen und dann darüber philosophieren ‚Wohin nun mit der Scheibe?‘, und nachher ‚So ein Mist‘ rufen, weil nach dem Wippen des Bretts ein Mitspieler gewonnen hat, wenn ich mir das in die Erinnerung zurückrufe, ist klar: Wippe-lig! ist etwas für Schach spielende Erwachsene! Doch auch Grübler machen aus dem 15 Minuten Spiel höchstens 20 Minuten.

Wenn ich an die Mehrheit der Tester denke, die in aller Ruhe ihre Scheiben aufs Brett bringen, dabei nach Möglichkeit drohende Klumpen bilden und den Überblick beim Wippen behalten, dann weiß ich: Für Nicht-Schachspieler genauso gut.

Dieses Spiel habe ich viel in Grundschulen getestet, was Spaß machte und mir zeigte: Die Kinder fühlten sich komischerweise nicht überfordert! Die Regeln sind einfach und wenn ein Kind sie nicht mehr wusste, war immer ein anderes Kind da, die Regeln zu erläutern. Den Test-Kindern hat es riesigen Spaß gemacht, das Brett zu wippen und so die Laufrichtung zu ändern. Es störte sie keineswegs, dass sie die Auswirkungen dieses Wippens nicht im Blick hatten, eine Überraschung brachten. Es blieb ja auch genug Zeit für eine neue Partie. Also ist es doch ein Kinderspiel.“

80 Prozent der Erlöse fließen an die Kindernothilfe

Martin Schlegel lässt damit sein altes Spiel einen zweiten Frühling erleben. Doch er verfolgt mit Wippe-lig! noch ein anderes, ebenso selbstloses wie bemerkenswertes Ziel: 80 % seines Honorars fließen an die Kindernothilfe, die Organisation, die sich in aller Welt für Kinder einsetzt und versucht, ihre Startchancen zu verbessern. „Dort“, so findet er, „ist das Geld besser aufgehoben.“ Ein Grund mehr, ihm viel Erfolg mit der Neuauflage zu wünschen.

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