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Das war die SPIEL ’24

Spiel 24 - der Messebericht von Reich der Spiele mit Meeps auf dem Foto

Die Spielemesse in Essen an einem Brückentag

Rien ne va plus! Die SPIEL ’24 ist seit 06.10.24, 18 Uhr vorbei. 204.000 Spielerinnen und Spieler besuchten laut Angaben der Veranstalter die Spieletage und freuten sich über rund 1.500 Neuheiten.blank

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Erstmals seit vielen Jahren fand sie außerhalb der Herbstferien in Nordrhein-Westfalen statt und startete ausgerechnet am Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober. Man konnte im Vorfeld darüber spekulieren, ob das lange Wochenende mit Brückentag abträglich auf den Besucherzuspruch wirken oder ob der zusätzliche arbeitsfreie Messetag die Hallen überquellen lassen würde. Mit einem Kniff schloss der Merz Verlag jedoch beide möglichen Ergebnisse aus: Die Eintrittskarten waren für alle Tage kontingentiert, weshalb man dort auch stolz von einer ausverkauften Messe an allen Tagen sprach. Es hatte zum Resultat, dass sich nie mehr als 51.000 Besucher gleichzeitig um freie Plätze an den Spieltischen stritten, was durchaus zu begrüßen war.

Nur gut gemeint

Für die, die drin waren, sicher ein Gewinn. Doch die Kehrseite der Medaille war, dass ohne Ticket angereiste Besucher unversehens vor (für sie) verschlossenen Türen standen. Für aus dem näheren Umkreis angereiste Fans war das schon ein emotionales Desaster. Für Besucher, die aus entfernteren Region kamen, gar aus dem Ausland, war es eine Katastrophe!

„Pech“, könnte man denken. Warum hatte man sich keine Karten vorher im Internet besorgt? Nein! Die richtige Frage lautet: Warum hätte man? Noch nie in der Geschichte der SPIEL war die Messe „ausverkauft“ – das bestätigt sogar der Veranstalter – weil es schlicht kein „ausverkauft“ gab. Wer seit Jahrzehnten zur Messe kam, kaufte sich an der Tageskasse sein Ticket – selbst, wenn er der 60.000 Besucher gewesen wäre.

Das Problem lag also nicht beim Kontingent für die einzelnen Tage. Die Vielzahl derer, die an ihrem gewählten Messetag keinen Einlass fanden und die, die es kurzfristig erfahren hatten, sei es über die App, durch soziale Medien oder die Kommunikation untereinander, und daher gar nicht erst angereist waren, sprechen dafür, dass die Kontingentierung vorher nicht ausreichend kommuniziert wurde.

Lückenhafte Kommunikation

In den offiziellen Pressemitteilungen vor der SPIEL war dazu jedenfalls nichts zu lesen. Und auch auf der Homepage der SPIEL (spiel-essen.de) fand sich kein Hinweis. Ein Versäumnis der Messeorganisatoren, mit dem viele Besucher um viel Geld – zum Beispiel für unnötige Hotelreservierungen – und noch mehr Spaß gebracht wurden. Das Lehrgeld zahlen hier leider die Betroffenen.

The Show must go on

Für alle, die dadurch vielleicht den ein oder anderen Titel verpasst haben, aber natürlich auch für alle, die noch ein paar Eindrücke von unserer Messeanschauung sammeln möchten, habe ich wieder traditionell unsere drei Messetage zusammengefasst.

Tag 1 auf der SPIEL ’24

Wir machen uns in diesem Jahr ungewohnterweise nur zu zweit auf die Tour durch die Hallen, da unser dritter Mann die Seiten gewechselt hat und als Autor sein Spiel Space Missions (tiros-games) anpreist. Los geht es am Donnerstag bei Elznir Games. Sie haben gleich mehr als ein halbes Dutzend interessanter Titel mitgebracht, und wir suchen uns Babylon aus. Das Spiel lockt mit einem 3D-Aufbau, bei dem man Säulen baut, diese mit Plättchen belegt, um auch hierauf wieder Aufbauten wie Brunnen, Treppen oder Statuen zu errichten. So wächst langsam ein interessantes Gebilde – hängende Gärten – in die Höhe, bei dem man am Ende für besonders viele Aufbauten belohnt wird.

Babylon - Spielsituation | Foto: Axel Bungart
Babylon – Spielsituation | Foto: Axel Bungart

Eine Jutta gesellt sich zu uns, und nachdem Dom uns das Spiel schnell und gut erklärt hat, spielen wir ca. eine halbe Stunde zu dritt. Kurz vor dem Ende passiert meinem Freund und Reich-der-Spiele-Kollegen Markus Nußbaum ein gleichermaßen bedauerliches und im wahrsten Sinne des Wortes erschütterndes Malheur: Mit einer unvorsichtigen Bewegung bringt er seine mühsam und grazil errichteten Gärten komplett zum Einsturz. Eine Rekonstruktion des Trümmerhaufens ist unmöglich, weshalb er aus der Wertung fällt.

Sein Fazit zu dem Spiel kann man sich ausmalen, doch es überschneidet sich zumindest ansatzweise mit meinem: schön, aber extrem fummelig, weil zu klein.

Rally ohne Staub und Gummi

Wir bleiben noch bei Elznir und spielen Rallyman Dirt. Rallyman Dirt (2011) ist ursprünglich aus dem ein Jahr zuvor erschienenen Rallyman (Jean-Christophe Bouvier, im Eigenverlag erschienen) hervorgegangen und damit nicht neu. Das Spiel hatte mich bei seinem Erscheinen damals bereits begeistert, weil es ein dynamisches Autorennen ist. Doch gleichzeitig schreckte es mich wegen der Stecknadelkopf kleinen Automodelle ab. Bei Elznir sind die Autos nun deutlich größer (wenngleich immer noch klein) und vermitteln damit mehr das Gefühl eines Autorennens.

Rallyman - Autos auf der Rennstrecke | Foto: Axel Bungart
Rallyman Dirt – Autos auf der Rennstrecke | Foto: Axel Bungart

Wie schon damals kommt es nicht darauf an, wer als Erster durchs Ziel fährt, sondern wer für eine Wertungsprüfung die kürzeste Zeit benötigt. Ganz wie bei Rallys üblich. Wer ab und an zu schnell durch die Kurven fliegt, bekommt nicht nur unnötige Sekunden in Form von Karten aufgebrummt, sondern verliert auch wichtige Würfel.

Michelle erklärt uns das Spiel anfangs etwas hakelig, doch ein paar Fragen klären alle Unklarheiten und so lassen wir die Würfelräder durchdrehen. Wir würfeln, um uns fortzubewegen und müssen dabei Schäden vermeiden. Das klingt nach viel Glück, doch zwei Arten zu würfeln reduzieren den Glücksfaktor und erhöhen die Risikobereitschaft. Unsere Etappe geht auch recht schnell vorbei. Das Spiel ist dynamisch und vermittelt Rennfeeling. Meine Siegerzeit, mit der ich als Tagesbester einen Promo-Artikel hätte gewinnen können, stellt sich jedoch später eher als das eine Auge unter Blinden heraus.

Weiter geht es mit einem kurzen Abstecher bei Asmodee. Hier spielen wir zusammen mit Jutta und Michael vom Brettspiel-Podcast „Tabulaludo“ Survive the Island. Das Spiel ist ein Remake von Survive: Escape from Atlantis aus dem Jahr 1982 (zuletzt 2010 neu aufgelegt). Eine schön interaktive Flucht von einer im Meer versinkenden Insel, bei der man seine Meeples vor den Seemonstern an Land retten muss. Das Spielmaterial ist dem Zeitgeist angepasst worden. Ansonsten würde es weitgehend so funktionieren wie seine Vorgänger – hätte uns die Spielregel nicht mit ein paar offenen Fragen zurückgelassen.

Survive the Island - Spielsituation | Foto: Axel Bungart
Survive the Island – Spielsituation | Foto: Axel Bungart

Von Perlen und anderen Steinchen

Perlentaucher und Messebesucher der SPIEL haben eines gemein: Sie freuen sich, wenn sie Perlen finden, selbst wenn sie nicht mehr ganz frisch sind. Wir finden Portals, und zwar nicht das neue von Uwe Rosenberg (Squink), das wir leider nicht spielen werden, sondern eine Perle aus 2023 von Maxim Istomim (CrowD). Man sammelt bunte Steine, die man mittels Karten nach einem darauf abgebildeten Muster in ein gemeinsames Mosaik einfügt. Dabei kommt man sich mehr in die Quere als einem lieb ist. Das macht Spaß, doch 45 EUR sind mir dafür entschieden zu viel. Darüber, dass ich das Spiel bei einem deutschen Onlinehändler deutlich billiger finde, ist die Frau des amerikanischen Verlags CrowD überrascht und sichtlich not amused. Diese Amis …

Amerikanisch geht es weiter. Um die Ecke bei Ludonova spielen wir das Zweipersonenspiel Flatiron (Sheila Santos & Israel Cendrero.). Alex erklärt uns das Spiel verständlich und sicher. Wir bauen zwar gegeneinander aber dennoch gemeinsam an dem bekannten Gebäude in New York. Dazu aktivieren wir immer wieder eingesammelte Karten, die wir in vier Slots aufbewahren.

Flatiron - Das Gebäude | Foto: Axel Bungart
Flatiron – Das Gebäude | Foto: Axel Bungart

Material, Aufmachung und Spielwitz sind überzeugend, und da auch der Preis stimmt, steht damit mein erster Spontankauf auf der Messe fest.

Corona ist allgegenwärtig

Trotz Besucherkontingents ist die Halle 3 an diesem Donnerstag erneut Anlaufpunkt für die Mehrzahl der Besucher. In den Gängen quetscht man sich wie in keiner anderen Halle durch die Massen. Eine gleichmäßige Verteilung der Ströme auf die Hallen ist natürlich auch mit einem Tageskontingent nicht zu erreichen. Das kann man dem Veranstalter aber nicht anlasten. Im Gegenteil: Ohne dies wäre es hier sicher nicht auszuhalten. Dennoch: Das Gedränge macht nicht wirklich Spaß, denn selbst, wenn es in diesem Jahr nicht mehr so das Thema ist, hat uns die Corona-Epidemie doch so weit geprägt, dass wir Menschenmassen automatisch mit Infektionen in Verbindung bringen. FFP2-Masken, die man immer wieder unter den Besuchern sieht, zeugen davon.

Ziemlich müde, aber immerhin gesund und munter kehren wir der Messe für heute den Rücken, denn die Zeit ist schon wieder rum.

Tag 2 auf der SPIEL ’24

Wie immer am Freitag sind die Hallen nur so weit gefüllt, dass man sich gut auch etwas ausfallender bewegen könnte, ohne seinem direkten Umfeld körperlich zu schaden. Aber wir haben uns im Griff und nutzen den Platz nur, um gesittet voranzukommen. Wir haben noch viel vor, und, ohne es vorweg zu nehmen: Wir werden es schaffen.

Beginnen tun wir diesen zweiten Messetag bei Kosmos, wo wir zunächst Australis spielen. Das ist sehr hübsch aufgemacht und erinnert wohl nicht zufällig an den Clownfisch, der seinen Sohn Nemo finden will.

Australis - Spielaufbau | Foto: Axel Bungart
Australis – Spielaufbau | Foto: Axel Bungart

Wir schwimmen mit unseren Schildkröten durch den Ostaustralstrom über den Spielplan. Dort, wo sie gerade langschwimmen, kann man Korallen pflanzen. Außerdem sammeln wir über Würfel Fische und Karten, aktivieren letztere und natürlich alles für Siegpunkte. Das ist sehr nett, geht mir allerdings zu schnell vorbei. Daher hinterlässt es bei mir zwar den Eindruck eines sehr gelungenen Familienspiels, das aber gerne zwei Runden mehr verdient hätte.

Danach spielen wir noch Einfach Genial 3D. Bei dem Klassiker von Reiner Knizia ist das Spielfeld jetzt deutlich kleiner, dafür bauen wir, wie der Name schon andeutet, in die Höhe. Im Großen und Ganzen sind die Regeln unverändert, sodass wir nach kurzer Einführung von Erklärbärin Diana mit einer Mutter und ihrer Tochter aus Halle/Saale sehr schnell ans Spielen kommen. Obwohl die zwei das Spiel vorher nicht kannten, zeigen sie uns, wie es geht und verweisen uns auf die Plätze. Auch die 3D-Variante von Einfach Genial macht Spaß und optisch was her.

Einfach Genial 3D - Spielsituation | Foto: Axel Bungart
Einfach Genial 3D – Spielsituation | Foto: Axel Bungart

Weil uns hier nichts weiter interessiert und außerdem, weil Markus in seinem Kosmos-blauen Poloshirt ständig für einen der Erklärbären gehalten wird, ziehen wir lieber weiter.

Sonne, Mond und Sterne

Etwas später finden wir uns bei Schmidt Spiele ein. Luminos ist das erste, was wir dort spielen. Ein schnelles Spiel, bei dem wir uns aus einer Auslage ein Plättchen nehmen, das wir in unserer eigenen Auslage anlegen. Dabei sollen wir Quadrate aus Plättchen mit möglichst gleich vielen der drei Symbole Sonne, Mond und Sterne bilden, denn das gibt die meisten Punkte. Das Spiel hat außer dem Sammelaspekt einen schön eingearbeiteten Optimierungseffekt, was daraus eine Art Wettrennen macht. Hübsch aufbereitet, und damit ein netter Ausklang für einen Spieleabend.

Wieder mit einer Mutter mit Tochter, dieses Mal aus Karlsruhe, spielen wir dann noch eine Partie Agent Dog. Bei dem neuen aus der Dog-Reihe dreht man ab und zu die Spielfiguren um, sodass man ihre Spielerfarbe nicht mehr erkennt. Erst, wenn sie bestimmte Felder betreten, geben sie sich wieder zu erkennen und man merkt, ob man die richtige Figur gezogen oder den Gegenspielern einen Gefallen getan hat. Die schon bekannte Möglichkeit, Figuren die Plätze tauschen zu lassen, verstärkt das Verwirrspiel noch. Doch weil man auch bewusst „falsche“ Figuren ziehen kann, bekommt das Ganze noch einen gemeinen Touch. Mir gefällt Dog ohnehin, und auch dieser neuen Version kann ich einiges abgewinnen.

Agent Dog - Spielsituation | Foto: Axel Bungart
Agent Dog – Spielsituation | Foto: Axel Bungart

Nahrungsversorgung für Besserverdienende

Mittagspause am Grillstand zwischen den Hallen 2 und 3. Die Schlange ist lang, doch die Damen und Herren am Stand sind gewohnt flink. Leider ist man wieder zu den Sparportionen Pommes zurückgekehrt, die schon letztes Jahr Gäste auf die Palme gebracht haben. Die Profitgier ist manchmal nicht zu fassen. Was im übrigen besonders für Getränke gilt: 5,60 EUR EUR für 0,5 l Softdrink sind schier unfassbar!

Genau!

Danach geht es weiter bei Zoch. Eine Sabine gesellt sich zu uns, und die junge Dame von Zoch erklärt uns das Spiel Ananda sehr genau. Man setzt seinen Mönch auf einen Stein in der Auslage, legt dann einen oder mehrere Steine gleicher Farbe an und, genau, wertet alle Steine dieser Farbe. Genau. Dann spielt man noch eine oder mehrere Karten aus, denn die bringen Punkte. Genau. Einfache Regeln, schnell gespielt.

Ananda - Spielsituation | Foto: Axel Bungart
Ananda – Spielsituation | Foto: Axel Bungart

Multiplizierte man die Genau-Quote beim Erklären mit der Anzahl der Steine, käme man auf eine atemberaubende Punkteausbeute.

Barrierefreiheit à la Skellig

Bereits im letzten Jahr fand ich die Idee von Skellig gut, Schilder mit der Aufschrift „Mitspieler gesucht“ bereitzustellen. Auch dieses Jahr hatte Skellig eine ziemllich grandiose Idee. Man warb damit, Spiele in Gebärdensprache zu erklären. In der Tat „Wow!“ Skellig! Das habe ich noch nie auf der SPIEL gesehen.

Gebärdensprache bei Skellig
Gebärdensprache bei Skellig

Den Tag beschließen wir bei Bernd Eisensteins Iron Games. Er hat leider nichts Neues dabei, doch sein Pandoria aus 2018, das er zusammen mit Jeffrey D. Allers herausgebracht hat, war so erfolgreich und außerdem drei Jahre lang ausverkauft, dass er es etwas überarbeitet neu aufgelegt hat. Da wir es noch nicht kennen, spielen wir eine Partie. Es ist ein Spiel mit einem nicht ganz intuitiven Rundenablauf, aber der Grundmechanismus (Worker-Placement, Area-Control) ist eingängig und so spielen wir eine Partie in einer guten halben Stunde durch. Mein Freund fügt mir eine derbe Niederlage zu, was keinen schönen spielerischen Abschluss für den Tag bedeutet.

Pandoria - Spielfeld | Foto: Axel Bungart
Pandoria – Spielfeld | Foto: Axel Bungart

Doch für eine Revanche ist keine Zeit mehr, denn wir müssen auch für diesen Tag die Segel streichen, damit man uns nicht in den Hallen einschließt. Was bei genauer Betrachtung gar nicht so schlimm gewesen wäre.

Tag 3 auf der SPIEL 24

Hoch hinaus

Tower Up - Hochhäuser | Foto: Axel Bungart
Tower Up – Hochhäuser | Foto: Axel Bungart

Wir starten bei Pegasus und Tower Up. Vom ersten Eindruck erinnert das Spiel an Manhattan, dem Spiel des Jahres 1994. Doch schnell wird klar, dass man damit falsch liegt. Zwar baut man Hochhäuser, doch der Mechanismus ist komplett anders. Für jedes Hochhaus, das man in seinen Besitz nimmt, schiebt man eines von vier Fahrzeugen auf Leisten vorwärts. Punkte gibt es für die Endpositionen der Fahrzeuge und Häuser, die man zum Zeitpunkt der eigenen Wertung im Besitz hat. Das Spiel sieht gut aus mit seinen Hochhäusern, und es macht Spaß, doch für einen Spontankauf birgt es mir zu wenig Neues oder anhaltend Interessantes.

Tower Up - Baumaschinen | Foto: Axel Bungart
Tower Up – Baumaschinen | Foto: Axel Bungart

Unsere Spielequote an den ersten zwei Tagen hängt etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Doch das ist normal. Am letzten Tag schlendern wir immer viel durch die Hallen und spielen mal dies, mal das, wo grad Platz ist oder man uns einlädt. Auch meine persönliche To-play-list ist noch arg jungfräulich, doch auch das ist normal. Warum mache ich mir eigentlich noch eine?

Fahndung nach Verdächtigen

Weiter geht es dann bei Strohmann Games. Strohmann hat drei große neue Spiele im Angebot, doch danach steht uns grad nicht der Sinn. Also spielen wir Infiltrators (John und Liam Kean). Aufmerksam darauf werden wir durch die Papppistole, die mittig auf dem Tisch liegt. Chris erklärt uns, dass wir kooperativ versuchen müssen, mithilfe von Kartenhinweisen (Farbe/Kartenwert) und logischem Denken zwei bestimmte Verdächtige (= Karten) ausfindig zu machen. Mit ein bisschen Unterstützung unseres Erklärers kommen wir den „Verdächtigen“ auf die Schliche und erschießen sie symbolisch mit der Papppistole. (Die Karten, nicht die Spieler!) In die Logik der Ermittlung muss man sich hineindenken, was Erklärer Chris aufgrund einiger Partien Erfahrung deutlich besser versteht. Der für das Spiel erforderliche Logikbereich unserer Hirne schien aber noch im Dämmermodus zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob beides nicht eher gegen das Spiel spricht. Vielleicht auch deswegen sind wir nach rund zehn Minuten nicht böse, dass die Partie schon vorbei ist.

Beim Schlendern durch Halle 4 muss man sich vor allem der asiatischen Spieleproduzenten erwehren, die einen kurzen Blickkontakt bereits als Aufforderung verstehen, sich und ihre Firma vorzustellen. Da wir aber nichts weiter produzieren als verbrauchte Luft, werden wir sie auch schnell wieder los und üben uns fortan im Tunnelblick.

Technik, die begeistert

Den lassen wir sich erst wieder ausweiten, als wir beim chinesischen Verlag Guangzhou Childhood Technologies Ltd. Pop Pop Jump spielen. Ein deutlich an Monopoly-Spiele erinnerndes Spielbrett mit einem elektronischen Gerät in der Mitte, welches (fast) alles für einen übernimmt. Jeder Spieler hat noch ein … undefinierbares … Gerät in der Hand, über das er mittels Druckknopf Bestätigungssignale an das Gerät auf dem Spielplan sendet. Würfeln? Knopf drücken. Karten nutzen? Handgerät auf Karte stellen und Knopf drücken. Gegenspieler Miete zahlen? Knopf drücken. Haus bauen? (Und jetzt alle:) …  Nur seine Spielfigur muss man noch per Hand bewegen. Aber vielleicht kriegen sie das auch noch auf Knopfdruck hin.

 

So funktioniert das Spielprinzip von Pop Pop Jump – Elektronik im Spiel | Foto: Axel Bungart

 

Eine halbe Stunde haben wir mit zwei fremden Mitspielern dennoch Spaß, weil die – per Knopfdruck erzeugten – Interaktionen ziemlich gemein und deshalb irgendwie lustig sind. Mehr als Monopoly ist es dennoch nicht. Immerhin funktioniert die Technik einwandfrei, was wir zuvor von einem Spiel eines deutschen Verlags nicht behaupten konnten. Dort langweilte gerade der Ausfall der Technik die Spieler.

Wer jetzt neugierig geworden ist: Das chinesische Spiel war noch ein Prototyp und wird voraussichtlich nächstes Jahr zur Messe fertig.

Die Stunden verfliegen, doch wir sind auf dem besten Weg, unseren Spieleschnitt des letzten Jahres doch noch zu erreichen. Nicht, dass das ein Ziel wäre, aber die Spiele, die wir spielen, sind halt alle recht kurz heute. So wie das nächste von Ummaramma: Spekulaas. Bei dem Spiel um Spekulatiusrezepte draften wir Karten. Abwechselnd legen wir Rezeptkarten und Gewürzkarten, die zur Erfüllung der Rezepte beitragen, in einem Mosaikraster vor uns aus. Die Gewürze sollten so gelegt werden, dass sie für möglichst viele angrenzende Rezepte gleichzeitig verwendet werden können.

Spekulaas - Kartenauslage | Foto: Axel Bungart
Spekulaas – Kartenauslage | Foto: Axel Bungart

Ganz unterhaltsam, aber schon dutzende Male gesehen. Insofern etwas witzlos.

Den Witz verschluckt

Im Wahrsten Sinne des Wortes Witz im Spiel gibt es dafür ein paar Stände weiter beim Schnerring Verlag. Axel Schnerring himself begrüßt uns überschwänglich, voll Freude, dass sein Spiel Dark Humor noch wenige Tage vor der Messe fertig geworden war. Er erklärt uns auch die Regeln. Die Karten, auf denen immer Figuren abgebildet sind, die Jesus und Hitler sehr ähnlichsehen, sind teilweise sehr lustig.

Dark Humor - Spielkarten | Foto: Axel Bungart
Dark Humor – Spielkarten | Foto: Axel Bungart

Sie enthalten kurze Dialoge, die man, so der Spielablauf, durch Anlegen weiterer Karten fortführen soll. Einer der Spieler am Tisch entscheidet dann, was witziger ist. An der Stelle hört der Spaß aber leider meist auf. So witzig die Karten auch sind, so wenig inspirierend ist das, was hier als Spiel bezeichnet wird. Zum Glück können wir die Partie bald unbemerkt abbrechen und weiterziehen.

Chopstick-Jonglage

Ein schnelles Spiel im Stehen machen wir bei Granna. Es sind die einfachen Dinge, die manchmal ein paar Minuten Spaß machen. So wie bei Takoyaki, bei dem man mit zwei chinesisch anmutenden Holzstäbchen, an deren Ende sich Patschehändchen befinden, gemusterte Tischtennisbälle in einem Karton in eine bestimmte Anordnung bringen muss. Klar, dass das nicht immer so einfach von der Hand geht, um schneller zu sein als der Gegner. Solche Spiele müssten man zuhause in einer ungenutzten Ecke ständig offen stehen haben, damit man sie quasi im Vorbeigehen mal schnell spielen kann. Aber wer hat schon ungenutzte Ecken zuhause?

Deutlich anspruchsvoller wird es ein paar Stände weiter bei Dino. Ihr Spiel Aldebaran Duel (Vladimír Suchý) ist von 2023 und für zwei Spieler. Diese bilden jeweils eine Auslage von Karten, sammeln damit Rohstoffe und erfüllen Aufgaben. Nichts Besonderes eigentlich. Doch mit dem etwas anspruchsvolleren Spielablauf komme ich nicht gleich klar, was wohl daran liegen mag, dass ich mich nach dem heutigen Mittagessen gerade im Suppen-Koma befinde und befürchte, dass mein Kopf gleich vor Müdigkeit auf meine Spielauslage knallt. Den Erklärungen auf Englisch kann ich jedenfalls nur mit Mühe folgen. Trotz (oder wegen?) der Unwägbarkeiten im Spiel finde ich die Idee gut und das Material ist einladend. Da mich dann auch der Preis positiv überrascht, habe ich meinen zweiten Messespontankauf in der Tasche.

Kurzweiliges hat Vorrang

Obwohl die Hallen an diesen Samstag ebenso ausverkauft waren wie die Tage zuvor, lässt es sich prima schlendern und schauen. Auch hat man immer wieder Gelegenheit, irgendwo schnell etwas zu spielen. So wie Tapas von Funforge. Hier muss man sich gegenseitig mit quadratischen Steinen vom Brett schieben, also eine Art Abalone nur mit Tapas-Teilchen. Auch dieses Spiel ist sowohl in wenigen Minuten erklärt als auch gespielt. Nichts, was man haben müsste, aber für Spieler, die in einer Runde Fünf Gurken früher ausgeschieden sind, verkürzt es perfekt die Wartezeit.

Tapas - Spielbrett mit Steinen Foto: Axel Bungart
Tapas – Spielbrett mit Steinen Foto: Axel Bungart

Teures Vergnügen

Der amerikanische Verlag allplay hat einen großen Stand mit Stehtischen, an denen die Neuheiten gespielt werden können. Wir entscheiden uns für River Valley Glasworks. Hier fischen wir Edelsteine aus einem Fluss und legen sie auf ein Tableau, auf dem wir damit Reihen und Spalten füllen sollen, für die es dann Punkte gibt. Das Material ist sehr schön, besonders in der Luxusversion, wo der Fluss aus Acrylplatten besteht, die über den Plan geschoben werden, so ähnlich wie bei Niagara.

River Valley Glasworks - Spielbrett | Foto: Axel Bungart
River Valley Glasworks – Spielbrett | Foto: Axel Bungart

Aber 70 EUR für die beste Ausstattung dieses Spiels sind dann doch des Guten eindeutig zu viel. Selbst die 40 EUR für die Normalversion finde ich noch happig. Aber für einen Kauf wäre es eh nicht in Frage gekommen, da das kurze Spiel kaum einen längeren Anreiz bietet. Soll es doch kosten, was es will.

Wir haben an diesem für uns letzten Messetag noch Zeit, bei Amigo einzukehren. Hier hatten wir schon zwei, drei Anläufe genommen, doch der Amigo-Stand war stets sehr gut besucht, sodass wir nach kurzer Wartezeit weitergezogen waren. Dieses Mal jedoch bekommen wir, wie in einem guten Restaurant, schnell einen Platz zugewiesen. Da sich niemand mehr zu uns gesellt, lässt sich Erklärbär Florian breitschlagen, mit uns eine Partie Combo Up zu spielen, das ein Remake von Krass Kariert (2018) ist. Aus einer unsortierten Kartenhand spielt man Kartenkombos aus und versucht damit, die restlichen Karten so zusammenzubringen, dass sich wieder gute Kombinationen ergeben. Da man den Vordermann immer mit einer Kartenkombo überbieten muss, bleibt auf seinen Karten sitzen, wem das nicht ordentlich gelingt. Dieses Spielprinzip hatte man in SCOUT mittlerweile elegant verfeinert, weshalb Combo Up vom Spielwitz her doch dahinter zurückbleibt.

Das zweite Spiel bei Amigo ist Beutezug. Ein Würfelspiel, bei dem man Karten erwürfelt, die einem Schätze und Verbesserungen für spätere Würfelwürfe einbringen. Das wichtigste ist hier, neben Würfelglück, die Spielerreihenfolge, die es dem/den Vorderen erlaubt, früher ihr Glück für Karten zu probieren, als andere, die dieselbe Karte ausgewählt haben. Daran ist so gar keine neue Idee zu erkennen und darum belassen wir es nach einer schnellen Runde auch dabei.

Alles hat ein Ende

Für mehr reicht es an diesem Tag und damit auch für die Messe bei uns nicht mehr. Drei Messetage liegen hinter uns. Und wir haben unser Spielpensum des Vorjahres erreicht und sogar um ein Spiel überschritten. Da kann man nicht meckern, wenn auch ein paar Spiele dabei waren, die nicht unter die Neuheiten des aktuellen Spielejahrgangs fallen.

In der Pressekonferenz am Mittwoch vor der Messe war von einem Trend an Musikspielen zu hören. Das konnten wir nicht feststellen. Es gab nicht mehr Musikspiele als andere Spielthemen. Überhaupt hat sich uns kein echter Trend aufgedrängt.

Nebenwirkungen abstellen

Die Idee mit der Kontingentierung der Karten hat sicher den gewünschten Effekt erzielt. Der gebremste Andrang zur Prime Time (Donnerstag und Samstag) war für die Besucher in den Hallen von Vorteil. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie … Die Rezeptur muss aber noch verbessert werden, insbesondere was die Informationspolitik angeht. Denn wenn Menschen von weit her anreisen, nur um festzustellen, dass sie einen Plan B hätten haben müssen, ist etwas gründlich schiefgelaufen.

Aussicht auf die SPIEL ‘25

Im kommenden Jahr haben die Veranstalter Gelegenheit, das zu verbessern.

Vom 23.-26.10.2025 findet die SPIEL ‘25 statt.

Das ist dann wieder ohne Feier- und Brückentag in den NRW-Herbstferien, und zwar in der zweiten Ferienwoche.

Für uns heißt das, wir müssen sehr lange, ein Jahr und drei Wochen, auf die nächste SPIEL warten. Aber wie sagte einst unsere ehemalige Bundeskanzlerin: „Wir schaffen das!“

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2 Kommentare

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Stefan 11. Oktober 2024 at 13:47

Vielen Dank für diesen tollen Einblick. Ich mag eure Berichte zur SPIEL!

Antwort
Riemi
Riemi 13. Oktober 2024 at 09:08

Immer wieder spannend mit zu erleben wie jeder von uns die Tage auf der Messe verbringt und es dann niederschreibt. Die Mischung passt.

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